Arbeitszeugnis anfechten: Leitfaden für eine faire Beurteilung
Sobald Sie sich beruflich verändern, würde Ihnen jeder Personalberater empfehlen, Ihren Arbeitgeber um die Ausfertigung einer Leistungsbeurteilung, also eines Arbeitszeugnisses, zu bitten.
Es ist nicht nur Ihr gutes Recht, sondern es stellt für Ihren Arbeitgeber ebenfalls eine Verpflichtung dar, Ihnen diese Unterlage auszuhändigen. Dennoch kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten.
In diesem Artikel erläutern wir Ihnen Ihre Ansprüche und geben eine Hilfestellung, was Sie tun können, sofern Sie sich ungerecht beurteilt fühlen.
- Das Arbeitszeugnis - Anspruch und Definition
- Das gehört in ein qualifiziertes Arbeitszeugnis
- Geheimcodes im Arbeitszeugnis - Was steckt dahinter und was Sie gegen eine ungerechtfertigte Bewertung unternehmen können
- Wie kann ein Arbeitszeugnis angefochten werden - 4 Schritte
- Fristen zur Anfechtung eines Arbeitszeugnisses
- Fazit
- FAQ
Das Arbeitszeugnis - Anspruch und Definition
Sobald Sie länger als 6 Wochen in einem Unternehmen beschäftigt sind haben Sie Anspruch auf die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses. Immer dann, wenn Sie sich bewerben möchten oder schon feststeht, dass Sie das Unternehmen verlassen, ist es ratsam ein Arbeitszeugnis anzufordern, denn im Regelfall wird Ihr Arbeitgeber dieses nicht proaktiv erstellen.
Sollten Sie Ihre Aufgabe innerbetrieblich verändern, haben Sie ebenfalls das Recht, eine schriftliche Beurteilung Ihrer Leistungen mittels Zwischenzeugnisses einzufordern.
Genau das stellt ein Arbeitszeugnis dar:
Eine wahrheitsgemäße und wohlwollende Beurkundung der Leistungen eines Arbeitnehmers während seiner Beschäftigungszeit im Unternehmen.
Als Arbeitnehmer obliegt es Ihnen zu entscheiden, ob Sie ein einfaches oder ein qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen.
Ein einfaches Arbeitszeugnis stellt dabei vielmehr einen Tätigkeitsnachweis dar. Im Gegensatz dazu werden in einem qualifizierten Arbeitszeugnis neben den ausgeführten Aufgaben auch Ihre Leistung und Ihr Können sowie Ihr soziales Verhalten bewertet.
Alle offenen Fragen zum Thema Arbeitszeugnis klären wir in diesem Beitrag.
Das gehört in ein qualifiziertes Arbeitszeugnis
Davon abgesehen, dass ein Arbeitszeugnis stets knitterfrei, fehlerfrei und sauber ausgehändigt werden sollte, enthält es folgende Inhalte:
- Briefkopf bzw. vollständige Bezeichnung und Anschrift des Arbeitgebers
- Bezeichnung „Arbeitszeugnis“
- Stammdaten des Arbeitnehmers einschließlich Geburtsdatum, Art der Beschäftigung und Beschäftigungsdauer
- Zeitraum des Arbeitsverhältnisses
- Auflistung und Beschreibung der ausgeführten Tätigkeiten sowie erzielte Erfolge
- Bewertung der erbrachten Leistungen in Bezug auf Arbeitsbereitschaft, Arbeitsbefähigung, Fachkompetenz, Arbeitsweise und Sozialverhaltens
- Ausstellungsgrund
- Schlussformel und Zukunftswünsche
- Eigenhändige Unterschrift des Personalverantwortlichen sowie Ausstellungsdatum
Wir raten, nicht zu lange mit der Anforderung eines Arbeitszeugnisses zu warten. Dies birgt nicht nur die Gefahr, dass Ansprechpartner wechseln oder im schlimmsten Fall keine genaue Leistungsbewertung mehr möglich ist, ebenfalls können lange Zeiträume zwischen Beschäftigungsende und Ausstellungsdatum negativ belegt sein. Sie könnten auf Unstimmigkeiten hindeuten.
Geheimcodes im Arbeitszeugnis - Was steckt dahinter und was Sie gegen eine ungerechtfertigte Bewertung unternehmen können
Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass ein Arbeitszeugnis spezielle Formulierungen enthält, man spricht auch von Zeugnissprache oder den sogenannten Geheimcodes.
Diese Formulierungen sollen etwaige Kritik „verstecken“. Zumindest ermöglichen Sie in den meisten Fällen, dass Arbeitnehmer nicht sofort erkennen, wenn eine Formulierung nur positiv geschrieben, aber nicht positiv gemeint ist.
Wir bringen etwas Licht ins Dunkel und klären über die Bedeutung von Schlüsselformulierungen auf.
Grundsätzlich entspricht die Formulierung "Erledigte die ihm übertragenen Aufgaben.... " in Schulnoten folgendes:
- “stets zu unserer vollsten Zufriedenheit” = sehr gut
- “zu unserer vollsten Zufriedenheit” = gut
- “stets zu unserer vollen Zufriedenheit” = gut
- “stets zu unserer Zufriedenheit” = befriedigend
- “zu unserer Zufriedenheit” = ausreichend
- “im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit” = mangelhaft
Ein kleiner Test: Wie schätzen Sie folgende Formulierungen ein:
- „Der Mitarbeiter war mit folgenden Aufgaben betraut…“
- „Der Mitarbeiter löste alle Aufgaben in seinem und im Interesse des Unternehmens."
- „Er erledigte alle Aufgaben pflichtbewusst.“
- „Es gab nie Anlass zum Klagen.”
Auf den ersten Blick nicht besonders auffällig, oder? Lesen Sie diese Formulierungen mit fachkundigem Blick, würden Sie Passivität, fehlende Initiative und Eigeninteresse erkennen.
Deshalb mein Rat: Es ist nicht Ihre Aufgabe, Ihr Arbeitszeugnis perfekt lesen und deuten zu können. Da es sich jedoch um ein wichtiges Dokument handelt, welches sehr prägend für Ihre weitere berufliche Laufbahn ist, rate ich Ihnen, Ihr Arbeitszeugnis von einem Anwalt für Arbeitsrecht oder einer fachkundigen Person gegenlesen und prüfen zu lassen.
Kontaktieren Sie mich telefonisch unter 0391 60 75 110 oder per E-Mail an: [email protected]. Ich berate Sie gerne und setze Ihre Ansprüche für Sie durch.
Wie kann ein Arbeitszeugnis angefochten werden - 4 Schritte
Sie sind nicht mit den Formulierungen in Ihrem Arbeitszeugnis einverstanden? Ihr Arbeitszeugnis muss mindestens wohlwollend, also der Schulnote 3 entsprechend, ausgestellt worden sein. Akzeptieren Sie dies nicht, haben Sie die Möglichkeit eine Korrektur zu verlangen bzw. das vorliegende Arbeitszeugnis anzufechten. Dabei müssen Sie nachweisen, dass Ihre Leistungen besser zu beurteilen sind.
Wie Sie Ihr Arbeitszeugnis anfechten erklären wir Ihnen hier in 4 Schritten:
Schritt 1 - Das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen
Bevor Sie weitere Schritte gehen, suchen Sie bitte immer zuerst das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber. Oftmals klären sich Missverständnisse oder unterschiedliche Auffassungen im Austausch.
Es gibt durchaus auch Fälle, in welchen sich der Arbeitgeber nicht bewusst darüber ist, was die verwendete Formulierung eigentlich aussagt bzw. warum dem Arbeitnehmer bestimmte Punkte sehr wichtig sind. Hilfreich ist in jedem Fall, sich vorab fachkundigen Rat eingeholt zu haben. Als Anwalt für Arbeitsrecht berate ich Sie nicht nur inhaltlich, sondern gebe Ihnen ebenso Gesprächsstrategien an die Hand.
Wenn Sie Ihr Zeugnis anfechten wollen, ist es immer hilfreich, mit Beispielen und konkreten Formulierungsvorschägen in das klärende Gespräch zu gehen.
Schritt 2 - Einen Widerspruch formulieren
Sofern das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber nicht erfolgreich gewesen sein sollte, haben Sie die Möglichkeit, einen Widerspruch zu formulieren. Wichtig: Setzen Sie eine Frist zur Nachbesserung. Im Regenfall beträgt diese 2 Wochen.
Schritt 3 - Fachkundige Hilfe suchen
Spätestens dann, wenn Sie keine Einigung mit Ihrem Arbeitgeber erzielen können bzw. die Frist zur Nachbesserung des Arbeitszeugnisses verstrichen ist, sollten Sie sich fachkundige Hilfe durch einen Anwalt für Arbeitsrecht holen.
Lassen Sie Ihr Zeugnis und Ihren Korrekturwunsch prüfen. Einige Arbeitgeber lassen sich durch anwaltlichen Nachdruck, beispielsweise mittels entsprechender Schreiben, zu einer Abänderung des Arbeitszeugnisses bewegen, so dass eine gütliche Einigung auch in dieser Phase noch nicht ausgeschlossen ist.
Schritt 4 - Einreichen einer Zeugnisklage
Ein schlechtes Arbeitszeugnis wird Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt reduzieren. Sie haben also, sollten alle Gesprächsversuche bislang negativ verlaufen seien, wenig andere Möglichkeiten als eine Zeugnisklage vor Gericht anzustreben. Ihr Anwalt wird Sie diesbezüglich beraten und die Erfolgsaussichten mit Ihnen diskutieren.
Hier noch einmal der Hinweis: Streben Sie eine Zeugnisnote von “Gut” bis “Sehr Gut” an, obliegt Ihnen die Beweispflicht hinsichtlich Ihrer Leistungen.
Die Anfechtung eines Arbeitszeugnisses vor Gericht kann bis zu zwölf Monate dauern. Die anfallenden Kosten bemessen sich an Ihrem bezogenen Gehalt. Dieses stellt den Streitwert dar, an welchem sich die anwaltlichen Kosten bemessen.
Fristen zur Anfechtung eines Arbeitszeugnisses
Es gibt keine Frist um Ihr Arbeitszeugnis anzufechten. Dennoch sollten sie nicht zu lange warten, da davon auszugehen ist, dass Arbeitgeber die Leistung nach sechs Monaten nicht mehr detailliert bewerten können. Damit sinken auch Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Anfechtung Ihres Arbeitszeugnisses.
Gehen Sie also zeitnah gegen nicht zutreffende Formulierungen oder Bewertungen in Ihrem Arbeitszeugnis vor.
Fazit
- Arbeitnehmer haben das Recht auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses bei beruflicher Veränderung.
- Ein Anspruch auf ein Arbeitszeugnis besteht nach 6 Wochen Beschäftigung.
- Es wird unterschieden zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Arbeitszeugnis.
- Geheimcodes im Arbeitszeugnis sind spezielle Formulierungen und enthalten u.U. verdeckte Kritik.
- Die Möglichkeit zur Anfechtung eines Arbeitszeugnisses besteht.
- Es gibt keine offizielle Frist, eine zeitnahe Anfechtung wird jedoch empfohlen.
- Die Chancen sinken, wenn eine Bewertung nach 6 Monaten nicht mehr detailliert möglich ist.
- Ich empfehle Ihnen dringend, das Arbeitszeugnis von einem Anwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen und eine rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.
FAQ
Wann habe ich Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?
Sie haben Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, sobald Sie länger als 6 Wochen in einem Unternehmen beschäftigt sind.
Was ist der Unterschied zwischen einem einfachen und qualifizierten Arbeitszeugnis?
Ein einfaches Arbeitszeugnis enthält lediglich einen Tätigkeitsnachweis, während ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zusätzlich Ihre Leistungen, Fähigkeiten und Ihr Sozialverhalten bewertet.
Kann ich gegen eine ungerechte Bewertung in meinem Arbeitszeugnis vorgehen?
Suchen Sie zuerst das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber, formulieren Sie bei Bedarf einen Widerspruch mit Fristsetzung, holen Sie sich fachkundige Hilfe von einem Anwalt und ziehen Sie letztlich eine Zeugnisklage in Betracht, falls keine Einigung erzielt wird.
Gibt es eine Frist zur Anfechtung eines Arbeitszeugnisses?
Es gibt keine offizielle Frist zur Anfechtung, jedoch sollten Sie zeitnah handeln, da die Chancen auf eine erfolgreiche Anfechtung sinken, wenn der Arbeitgeber Ihre Leistung nach sechs Monaten nicht mehr detailliert bewerten kann.
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