Abfindung im Arbeitsrecht: Wann steht sie wem zu und in welcher Höhe?
Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus, kommt der Arbeitnehmer damit nicht automatisch in den Genuss einer Abfindung. Es gibt zwar diverse gesetzliche Abfindungsregelungen, die häufig auch noch durch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge ergänzt werden, jedoch greifen diese nicht bei jeder Kündigung. Auch beim Abfindungsanspruch kommt es daher auf den berühmten Einzelfall an.
Aus diesem Grund lohnt es sich so gut wie immer, bei einer Kündigung einen Anwalt für Arbeitsrecht aufzusuchen. Im Gespräch klären wir ab, ob Ihnen eine Abfindung zusteht und wenn ja, wie hoch diese ausfallen sollte. Besteht ein Anspruch auf Abfindung, muss dieser gegenüber dem Arbeitgeber durchgesetzt werden. Als auf Arbeitsrecht spezialisierter Anwalt helfe ich Ihnen dabei und erstreite, nötigenfalls auch vor Gericht, eine Ihnen zustehende Abfindung in angemessener Höhe.
Sollten Sie eine Kündigung bzw. einen Aufhebungsvertrag erhalten haben oder an eine Eigenkündigung denken, berate ich Sie gerne über das strategisch beste Vorgehen, damit Sie das Unternehmen mit einer guten Abfindung verlassen.
In folgendem Beitrag kläre ich die Frage, wann Anspruch auf eine Abfindung besteht und erläutere, wie es sich mit einer Abfindung bei Eigenkündigung verhält, wie eine Abfindung berechnet wird, wie eine Abfindung zu versteuern ist und ob eine Abfindung Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld hat. Außerdem gehe ich darauf ein, warum ein Anwalt für Arbeitsrecht eine entscheidende Rolle im Prozess der Abfindungsverhandlungen spielen kann.
Wann besteht Anspruch auf eine Abfindung?
In den allermeisten Fällen bezahlen Arbeitergeber eine Abfindung aus einem einfachen und sehr einleuchtenden Grund: Mit der Zahlung wird das Risiko von Gerichtsverfahren vermieden. Denn auch bei scheinbar klaren persönlichen Verfehlungen des Arbeitnehmers ist nicht von vornherein gesichert, dass der Kündigungsgrund vor Gericht auch Bestand hat.
Verliert der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht, muss der Arbeitnehmer weiter beschäftigt und bezahlt werden. Da zwischen Kündigung und dem Gerichtsurteil oft viele Monate liegen, kann das für Arbeitgeber richtig teuer werden. Eine Abfindung ist daher oft auch für den Arbeitgeber der günstigere Weg.
Ein Aufhebungsvertrag bietet fast immer die Chance auf eine Abfindung
Häufig ist die Abfindung daher mit einem Aufhebungsvertrag verbunden, in dem sich beide Seiten auf eine gütliche Trennung einigen. In diesem Sinn ist die Abfindung eine Art Entschädigungszahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes bzw. eine Kompensation für den damit verbundenen Verdienstausfall.
Arbeitnehmern, denen ein Aufhebungsvertrag angeboten wird, sollten diesen daher nie sofort unterschreiben, sondern diesen erst genau überprüfen. Bieten Sie ihrem Arbeitgeber in jedem Fall an, in der Zwischenzeit weiterzuarbeiten. Sie dürfen nur dann der Arbeit fernbleiben, wenn der Arbeitgeber sie explizit freistellt. Umgekehrt sollten Arbeitgeber Angestellte auch nie zu einer schnellen Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag drängen, da dieser dadurch unwirksam werden könnte.
Richtwert für die Höhe der Abfindung
Als grober Richtwert für die Höhe der Abfindung gilt, dass ein halber bis ganzer Brutto-Monatslohn pro Beschäftigungsjahr als angemessen gilt. Je nach individueller Situation sowie Verhandlungsgeschick können aber auch höhere Summen erzielt werden.
"Gesetzliche Abfindung" – in diesen Fällen haben Sie immer einen Anspruch auf Abfindung
Ein Aufhebungsvertrag ist allerdings nicht die einzige Möglichkeit, um in den Genuss einer Abfindung zu kommen. Es gibt auch einige gesetzliche Vorgaben für einen Abfindungsanspruch:
- Betriebsbedingte Kündigung: Arbeitnehmer, die eine betriebsbedingte Kündigung erhalten, haben nach § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anspruch auf eine Abfindung in Höhe eines halben Brutto-Monatsverdienstes für jedes Jahr seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Die Abfindung erhalten Arbeitnehmer allerdings nur dann, wenn sie keine Kündigungsschutzklage erheben. Der Arbeitgeber muss zudem ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Kündigung aus betrieblichen Gründen erfolgt und die Zahlung der Abfindung an den Klageverzicht gebunden ist. Eine weitere Voraussetzung für die Anwendung von § 1a KSchG ist, dass das Kündigungsschutzgesetz greift. Dies ist erst bei Betrieben ab zehn Mitarbeitern in Vollzeit der Fall.
- Abfindung im Kündigungsschutzprozess: Gewinnt der Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage, ist ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedoch nicht mehr zuzumuten, hat er nach § 9 KSchG sowie § 10 KSchG einen Anspruch auf Abfindung in Höhe von bis zu 12 Monatsverdiensten, bei Arbeitnehmern über 50 und einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren bis zu 15 Monatsverdiensten, bei Vollendung des 55. Lebensjahrs und einer Beschäftigung von mindestens 20 Jahren bis zu 18 Monatsverdiensten.
- Nachteilsausgleich bei betrieblicher Kündigung: Bei betriebsbedingten Kündigungen ist der Arbeitgeber gehalten, sich um einen Interessensausgleich mit dem Betriebsrat zu bemühen. Unterlässt der Arbeitgeber solche Bemühungen, können Arbeitnehmer nach § 113 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ihren Abfindungsanspruch einklagen.
- Arbeitsvertrag, Sozialplan oder Tarifvertrag: Ist im Arbeits- oder auch im Geschäftsführervertrag die Zahlung einer Abfindung vorgesehen, entsteht daraus bei Kündigung ein entsprechender Anspruch. Das gilt auch, wenn eine Abfindung in Tarifverträgen bzw. Sozialplänen als entsprechendes Recht verankert ist.
Die wichtigsten Fragen zum Thema Kündigungsschutzklage beantworten wir in diesem Beitrag.
Abfindung bei Eigenkündigung
Wenn Sie selbst kündigen, erhalten Sie in aller Regel keine Abfindung. Schließlich besteht dann für den Arbeitgeber ja kein Risiko mehr, in einen Prozess mit ungewissem Ausgang hineingezogen zu werden. Wer kündigen und zugleich eine Abfindung erhalten möchte, kann dies im Grunde nur erreichen, wenn er den Arbeitgeber zunächst über seine Kündigungsabsicht nicht informiert und stattdessen erst einmal einen Aufhebungsvertrag anstrebt.
Abfindung berechnen
Die Höhe der Abfindung hängt in aller Regel vom Verhandlungsgeschick ab. Arbeitgeber kaufen dem Arbeitnehmer mit einer Abfindung letztlich deren Sicherheit auf bezahlte Beschäftigung ab. Datenschutzbeauftragte, Betriebsräte oder schwerbehinderte Personen genießen beispielsweise besonderen Kündigungsschutz. Will ein Arbeitgeber sich von solchen Arbeitnehmern trennen, muss er damit rechnen, es vor dem Arbeitsgericht besonders schwer zu haben. Entsprechend gut ist die Verhandlungsposition solcher Arbeitnehmer, wenn es um die Höhe der Abfindung geht.
Umgekehrt gilt natürlich auch: Wer keinen besonderen Schutz genießt, hat wenig in der Hand, um den Arbeitgeber zu einer (hohen) Zahlung zu bewegen. Die Abfindung bei einer Kündigung in der Probezeit ist daher eher die Ausnahme denn die Regel. Allerdings kann es auch bei Probezeiten Konstellationen geben, in denen die Zahlung einer Abfindung erreicht werden kann – etwa wenn die Probezeit ungerechtfertigt verlängert wurde, sodass letztlich schon ein reguläres Arbeitsverhältnis bestand. Es lohnt sich daher auch, in vermeintlich klaren Fällen, einen Anwalt für Arbeitsrecht aufzusuchen, um die Möglichkeiten abzuklären.
Wie hoch sollte die Abfindung ausfallen?
Abgesehen vom individuellen Verhandlungsgeschick gibt es auch grobe Richtwerte, an denen Sie sich bei der Berechnung Ihres Abfindungsanspruchs halten können. Die einfachste lässt sich aus § 1a KSchG ableiten: Demnach gilt:
Pro Beschäftigungsjahr ist ein halbes Brutto-Monatsgehalt festzusetzen.
- Bei der Berechnung der Beschäftigungsjahre wird ab dem siebten Monat aufgerundet. Bestand ein Arbeitsverhältnis beispielsweise 4 Jahre und 7 Monate, wird auf 5 Jahre aufgerundet.
- Berechnet wird jeweils auf Grundlage des zum Zeitpunkt der Kündigung zu bezahlenden Monatsgehalts.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhält monatlich 4000 Euro brutto. Da er 4 Jahre und 7 Monate beschäftigt war, wird auf 5 Jahre aufgerundet. Zu rechnen wäre demnach:
4000 Euro : 2 = 2000 Euro x 5 = 10.000 Euro.
In vielen Branchen und Unternehmen ist es allerdings auch durchaus üblich den vollen Monatslohn als Berechnungsgrundlage zu nehmen. In unserem Beispiel läge der Abfindungsanspruch dann also sogar bei 20.000 Euro.
Wie ist eine Abfindung zu versteuern?
Die Abfindung wird wie ein ganz normales Einkommen voll versteuert. Da es sich bei einer Abfindung nicht um ein Arbeitsentgelt handelt, müssen Sie jedoch keine Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Kranken-, Pflege- Arbeitslosenversicherung) abführen.
Bei der Versteuerung der Abfindung sollten Sie darauf achten, ob sich Ihr Jahresverdienst durch die Sonderzahlung erhöht. Im ungünstigsten Fall rutschen Sie dann in eine höhere Steuerklasse. Mithilfe der Fünftel-Regelung können Sie die Steuerschuld jedoch abmildern. Die Abfindungssumme wird bei der Steuerberechnung dabei auf fünf Jahre und zu jeweils gleichen Teilen verteilt.
Abfindung und Anspruch auf Arbeitslosengeld
Die Abfindung hat in der Regel keine Auswirkung auf das Arbeitslosengeld und wird nicht bei dessen Berechnung heranzogen. Sollten Sie jedoch einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, stimmen Sie sich am besten vorher mit dem für Sie zuständigen Arbeitsamt ab. Diese kann nämlich eine Sperre von 3 Monaten verhängen, wenn Sie die gesetzliche Kündigungsfrist nicht einhalten.
Die Rolle des Anwalts für Arbeitsrecht im Abfindungsprozess
Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann eine entscheidende Rolle im Prozess der Abfindungsverhandlungen spielen. Er hilft nicht nur dabei, die rechtliche Grundlage zu überprüfen und sicherzustellen, dass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, sondern er unterstützt auch in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber. Ein Anwalt für Arbeitsrecht kann außerdem dabei helfen, die Höhe der Abfindung zu maximieren, indem er die individuelle Situation des Arbeitnehmers berücksichtigt und die bestmöglichen Argumente für eine höhere Abfindung vorbringt.
Fazit
- Arbeitnehmer erhalten eine Abfindung nicht automatisch bei einer Kündigung. Häufig ist die Abfindung mit einem Aufhebungsvertrag verbunden. Es kommt jedoch immer auf den konkreten Einzelfall an.
- Ein halber bis ganzer Brutto-Monatslohn pro Beschäftigungsjahr gilt als grober Richtwert für die Abfindungshöhe.
- Eigenkündigungen führen in der Regel nicht zu einem Abfindungsanspruch.
- Abfindungen werden wie reguläres Einkommen versteuert, ohne Sozialversicherungsabzüge. Die Fünftelregelung kann die Steuerlast mindern.
- Abfindungen beeinflussen in der Regel nicht das Arbeitslosengeld. Bei Aufhebungsverträgen kann jedoch eine Sperrzeit verhängt werden, wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten wird.
- Ein Anwalt kann entscheidend dazu beitragen, die Höhe der Abfindung zu maximieren und die rechtlichen Rahmenbedingungen optimal auszuschöpfen.
FAQ
Wann besteht Anspruch auf eine Abfindung?
Ein Anspruch auf eine Abfindung besteht oft bei betriebsbedingten Kündigungen, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag eine Abfindung vorgesehen ist, im Rahmen von Aufhebungsverträgen oder wenn im Kündigungsschutzprozess das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden kann.
Wie hoch sollte eine Abfindung sein?
Als Richtwert gilt ein halber bis ein ganzer Bruttomonatslohn pro Beschäftigungsjahr. Die genaue Höhe hängt jedoch von individuellen Verhandlungen und speziellen Schutzrechten ab.
Wie ist eine Abfindung zu versteuern?
Abfindungen werden wie normales Einkommen versteuert, jedoch ohne Sozialabgaben. Mithilfe der Fünftelregelung kann die Steuerlast gemildert werden.
Hat eine Abfindung Auswirkungen auf das Arbeitslosengeld?
Abfindungen beeinflussen in der Regel nicht das Arbeitslosengeld. Bei Aufhebungsverträgen sollte jedoch die gesetzliche Kündigungsfrist beachtet werden, um Sperrzeiten zu vermeiden.
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